An alle, die glauben, dem Leben hinterher zu hängen

Als ich 16 war las ich ein Buch mit dem Titel „Die erste Million in 7 Jahren“. Heute bin ich 31 und Millionen Schritte von der ersten Million entfernt, während immer mehr Teenies Startups hochziehen und für Unsummen verkaufen und ihre Zahnspangen vergolden lassen.

 

Schon als Monika 14 war, träumte sie von einer großen Hochzeit und einem Familienleben mit neckigen Nackenküssen des Ehemanns beim Kuchenbacken, Picknicks und Schulkonzerten. Heute ist sie 34 und Single, während die meisten ihrer Freundinnen von damals und heute längst verheiratet sind, Kinder haben, Häuser haben, eingerichtet wie im Hochglanz-Katalog.

 

Ich weiß nicht, wer oder was es für Dich ist: die ehemaligen Studienkollegen, die „an Dir vorbeiziehen“; die Bekannten, die schon die ganze Welt gesehen haben, während Du Urlaub auf Deinem 1-Quadratmeter-Balkon machst; die Facebook-Freunde, die immer dünner, fitter und beliebter werden, während bei Dir höchstens der BMI große Sprünge nach oben macht.

 

Die meisten von uns kennen wohl dieses Gefühl, im Leben hinterherzuhängen. Manchmal zieht es, manchmal beißt es, manchmal zerfleischt es … unseren Seelenfrieden … wir sollten dringend aufholen, „noch einmal angreifen“, heißt es in unserem Kopf.

 

Also muss mehr Motivation her, mehr WILLE, mehr Anstrengung, mehr inspirierende Zitate, mehr To-Do-Listen und Produktivitätstechniken, mehr Apps, mehr Netzwerken, mehr Ziele-Visualisieren, mehr Zeug, das uns weismachen will, wir seien nicht gut genug.

 

Dabei brauchen wir eins mehr als alles andere:

 

Die Erlaubnis, jetzt genau da zu sein, wo wir eben sind.

 

Die Wahrheit ist doch:

 

Wir hängen nicht im Leben hinterher. Wir hängen nur Fantasien hinterher, wie wir angeblich sein sollten und was wir angeblich erreicht haben sollten.

 

Schließlich sind wir doch Menschen und keine Roboter, die ihre Motivation nach Belieben aufdrehen können. Genauso wenig haben wir immerzu Kontrolle über alles, können nicht jederzeit unsere ganze Existenz manipulieren.

 

Das Leben lenkt uns mal in die eine Richtung, dann in die andere, lehrt uns Dinge nach seinem Lehrplan, nicht nach unserem.

 

Vieles können wir weder beschleunigen, noch erzwingen. Vielleicht muss die Idee zu dem Buch, das wir schreiben wollen, erst noch weiter in uns heranwachsen. Vielleicht müssen wir erst noch etwas im Alleinsein über uns selbst lernen, bevor wir bereit sind für eine neue Liebe. Vielleicht sind uns in Wirklichkeit ganz andere Dinge wichtig als die Million auf dem Konto. Und vielleicht wird aus dem Schmerz, den wir heute haben, irgendwann etwas Großes geboren.

 

Was uns unglücklich macht, ist, dass wir um diese Dinge wissen, und trotzdem immer wieder und immer härter versuchen, unser komplettes Leben zu designen, als wär’s eine Ikea-Küche.

 

Wir hängen nicht im Leben hinterher. Wir hängen uns auf an sinnlosen Vergleichen mit Menschen in völlig anderen Situationen. Wir hängen uns auf am Wort „Sollte“ – wir sollten doch glücklicher sein, reicher, attraktiver. Wie ein Seil, geknüpft aus Scham, legt sich dieses „Sollte“ um unseren Hals, nimmt uns die Luft, zappeln und zappeln mit den Beinen und kommen nirgendwo hin.

 

Zum Glück können wir diese Schlinge abnehmen. Durchatmen. Loslassen, und sei es erst mal nur ein bisschen, nur für einen Moment, in dem wir daran denken:

 

Wir sind genug. Wir dürfen uns erlauben, dort zu sein, wo wir gerade sind. Und wenn die Zeit reif ist, wird passieren, was passieren soll.

 

Text: Verfasser unbekannt

Bild: Künstler unbekannt

 

An alle, die glauben, dem Leben hinterher zu hängen
An alle die glauben dem Leben hinterher
Adobe Acrobat Dokument 359.3 KB