Yoga & Christentum

„Prüfet alles und behaltet das Gute“ (1.Thessalonicher 5,21).

 

Yoga sagt: "Wo immer Du bist, was auch immer Du bist, versuche, Gott zu finden und ein edles Leben zu führen. Reinige Dich, befreie Dich von den niederen Charaktereigenschaften. Strahle durch Tugendhaftigkeit. Bringe in Dir selbst die göttlichen Eigenschaften hervor. Bewege Dich hin zu Gott.“

 

Bei tieferen Blick in die Yoga-Philosophie wird deutlich, dass Yoga keine Religion sondern eine Lebenseinstellung ist und nicht im Widerspruch zur Religion, die ein Yoga-Praktizierender ausübt, stehen muss. Dies erkennen auch immer mehr christliche Institutionen. Gewiss bietet Yoga vielerlei Ansätze, die dem streng-Religiösen aufstoßen, doch geht es im Yoga weniger um den Glauben an eine bestimmte Erscheinung Gottes als um die Art und Weise, wie das Leben selbst geführt wird und welche Konsequenzen aus den gesammelten Erfahrungen gezogen werden.

 

Im weiteren Sinne ist ein moderner Yogi jemand, der mithilfe yogischer Techniken bewusst an seiner persönlichen Weiterentwicklung arbeitet. So kann ein Christ genauso also Yogi bezeichnet werden wie ein Buddhist, Hinduist oder Atheist.

 

Viele bedeutende Yogis empfehlen sogar jene Religion zu praktizieren, in deren Tradition ein Mensch aufwächst, da eine Religion sinnvolle Orientierungshilfen für die Persönlichkeits- und Seelenentwicklung bieten kann. Und umgekehrt sprechen viele Christen davon, dass sie durch Yoga noch tiefer in die christliche Lehre eintauchen konnten, etwa mittels der durch die Yogapraxis verbesserten Tugenden wie Hingabe zu Gott, Konzentration, Disziplin und Vertrauen. Yoga kann also auf harmonische Weise in jede Religion, jede Glaubensrichtung sowie in das religiöse Leben jedes Einzelnen integriert werden.

 

Kirchliche Institutionen und Priester über Yoga

  • Diözese Linz: "..Insofern die Praxis der Haltungs- und Atemübungen zu innerer Ruhe und Sammlung hinführt, werden durch sie Bibelstudium, Gebet und Meditation, der achtsame Vollzug liturgischer Handlungen wie auch das Handeln coram Deo [vor Gott, Anm.] im Alltag gefördert. (Link)
  • Katholische Kirche Schweiz: “Immer mehr Christen entdecken Yoga und andere fernöstliche Besinnungstechniken für sich. Die katholischen Bildungshäuser bieten die verschiedensten Kurse dazu an. Sie sehen in der Praxis des Yogas keinen Widerspruch zur christlichen Lehre. Yoga würde sich nicht nur positiv auf Körper und Geist auswirken, sondern auch neue Zugänge zur christlichen Spiritualität ermöglichen." (Link)
  • Katholischen Kirchengemeinde St. Michael in Stuttgart-Sillenbuch: “Yoga ist ein jahrtausende altes System körperlicher und geistiger Übungen, das den ganzen Menschen anspricht in seiner Einheit von Körper und Geist. Yoga ist eine Erfahrungsmethode und zählt zum Kulturerbe der Menschheit unabhängig vom jeweiligen Kulturkreis. Yoga verträgt sich sehr wohl mit christlicher Meditation. Yogaübungen werden in St Michael seit mehr als 25 Jahren sehr erfolgreich angeboten.” (Link)
  • Evangelische Kirche Deutschland: Zu einer gemäßigt-kritischen Einstellung gegenüber Yoga ruft die Evangelische Kirche Deutschland, in einer umfangreichen Stellungnahme zum Verhältnis von Christentum und Yoga auf: "Radikale Ablehnung sei genauso falsch wie eine undifferenzierte Bejahung.”
  • Pater Jörg Müller - Ist Yoga für Christen empfehlenswert: "Yoga gehört zu den Formen moderner Spiritualität, die genutzt werden darf als eine Möglichkeit der Versenkung, sei es neutral, sei es mit Blick auf den christlichen Gott. „Prüfet alles und behaltet das Gute“ (1 Thessalonicher 5,21)." (Link)
  • Zisterzinsermönch Francis Acharya: „Yogakurse stellen dann kein Problem dar, wenn sich der Unterricht auf religionsneutrale Praktiken, wie sie aus dem körperzentrierten Yoga bekannt sind, beschränkt." (Link)
  • Pater Markus Thomm: Yoga für Christen (Link)
  • Thomas von Aquin über die Einheit von Körper und Seele (Yoga = Einheit): "Die Seele ist die den Leib prägende Wirklichkeit. So bildet der Mensch eine Einheit von Leib und Seele. Der Mensch ist als ganzer seelisch und als ganzer leiblich. Alle Seinswirklichkeit des Leibes ist zugleich Wirklichkeit der Seele. Ihr Selbstvollzug wirkt notwendig in das Medium reiner Materialität ein, in welcher sie ihren adäquaten Ausdruck findet. Der Leib ist der materielle Aspekt der Seele. So wird der Leib nicht abgewertet, sondern er ermöglicht es der Seele überhaupt erst, ins Dasein zu treten. Darin liegt sein Sinn, seine Seinsbestimmung. Leib und Seele sind so strukturiert, dass der Leib nicht Gefängnis der Seele ist, sondern dass der Mensch, wie Thomas es sagt, nur auf dem Weg über seinen Leib die Wahrheit finden und das Gute lieben kann. Der Leib ist aber nicht nur Leib, um Geist zu werden, sondern er muss zugleich immer mehr Leib werden, um vollendeter menschlicher Geist zu sein. Die Seele ist nur wirklich als Leib, indem sie diesen prägt und so den menschlichen Geist vollendet." (Link)
  • Pater Dr. Werner Vogel: Erfahrungen als Christ auf dem Yogaweg (Link)
  • Pater Markus Thomm: Yoga für Christen (Link)
  • Gerhard Vollmer: Yoga, gut für den Rücken, nichts für Christen (Link)
  • Yogawiki: Yoga und Christentum (Link)
     

Häufige Fragen

Ist Yoga hinduistisch?

  • Zunächst einmal sollte man wissen, dass Yoga auf der Basis des Hinduismus entstanden ist. Es hat seinen Ursprung in Indien und ist Bestandteil der Hindu Religion. Jedoch ist Yoga selbst nicht hinduistisch an sich. Yoga ist ein universelles System, das sich zwar aus dem religiösen Fundament des Hinduismus entwickelte, das jedoch jenseits der Religionen steht. Denn im Yoga-System, wie es Patanjali offenbart, gibt es kein spezielles Dogma. Auch wird keine bestimmte Gottheit genannt, die man verehren sollte. Yoga sagt lediglich, dass das Wiederholen eines der Namen Gottes einer der möglichen Wege zur Konzentration des Geistes ist. Du kannst das Jesusgebet sprechen. Du kannst “Allah” oder auch “Shiva” sagen, oder Mutter Erde huldigen. 

Was hat ein gläubiger Christ von der Yoga Praxis?

  • Auch ein gläubiger Christ hat in der heutigen Zeit manchmal Verspannungen und diverse psychosomatische Probleme. Da kann die Yoga Praxis entscheidend helfen.
  • Vielen Christen fehlt in ihrer religiösen Praxis etwas: Manche wünschen sich die Einbeziehung des Körpers. Hier kann Hatha Yoga wie ein Ganzkörpergebet zur Verehrung Gottes geübt werden.
  • Manche wünschen sich, im Gebet ihren Geist zur Ruhe zu bringen und für Gott zu öffnen. Hier können die Pranayama Übungen, die Meditationstechniken sowie die Raja Yoga Techniken zur Geisteskontrolle von entscheidender Bedeutung sein. 
  • Manche Christen wissen intuitiv, dass in der heutigen Zeit weniger das Trennende sondern vielmehr das Verbindende von Bedeutung ist. Hier bietet das religionsübergreifende Yoga einen Bezugsrahmen auch für den Dialog der Weltreligionen untereinander.

In welcher Weise unterscheidet sich nun Yoga von den anderen Religionen?

  • Yoga unterscheidet sich darin, dass es die Doktrin der „Ursünde“ ablehnt. Yoga sieht den Menschen manchmal als Narren, der den Weg nach Hause nicht mehr findet, jedoch nicht als Sünder. Yoga weist uns den Weg und sagt zu uns: „Gehe nun Deinen Weg und gehe direkt nach Hause!“. 
  • Eine andere Sache ist die folgende: Vieles im Christentum ist leider der Versuch, die Hölle zu vermeiden und stattdessen durch die Himmelspforte zu schlüpfen, sogar wenn Du dafür nicht vollkommen geeignet bist. Yoga sagt dazu: “Dies ist ein wenig kindisch, du bist etwas viel Größeres. Warum spielst Du dieses Spiel von Himmel und Hölle?” Yoga lehnt die Hölle ab und auch den Himmel. Gehe zum Schöpfer des Himmels, zum Herrn über den Himmel. Warum der Himmel? Der Himmel ist auch ein kleinlicher Wunsch. Dies willst Du nicht wirklich. Sage Dir: “Ich will Gott - ich möchte Gott erfahren, das Höchste Wesen, den Herrn des Himmels.“ Yoga befasst sich mit Gott, nicht mit Himmel oder Hölle. Man kann sagen, dass dies einige der Unterschiede zwischen Yoga und dem Christentum sind. Hierin unterscheidet sich das orthodoxe Christentum vom Yoga.

Kann ein nicht-christlich geprägter Yoga Aspirant von den Lehren Jesu Christi Inspiration bekommen?

  • Ja. Yoga und Christentum können sich sehr sinnvoll ergänzen. Yoga Aspiranten können von den Lehren Jesu auf vielfältige Weise Inspiration bekommen.
  • Das Ideal der Nächstenliebe wird von Jesus sehr viel stärker in den Mittelpunkt gerückt als in den Yoga Schriften. Zwar ist im Yoga Sutra immer wieder von „Maitri Bhavana“ (Mitgefühl, Nächstenliebe) und „Ahimsa“ (Nichtverletzen) die Rede. Aber die Worte Jesu gehen auch heute noch in besonderem Maße zum Herzen. Nicht umsonst haben viele Yoga Meister (z.B. Swami Sivananda und Mahatma Gandhi) regelmäßig in der Bergpredigt gelesen und diese zur Richtschnur ihres Handelns gemacht. Nicht umsonst fehlen im heutigen Indien in keinem größeren Ashram soziale Werke (Hospital, Waisenheim, Leprastation, Tuberkulose-Betreuung etc.). Mehr als vielen bewusst ist, hatte das Christentum Einfluss auf die Entwicklung des Yoga seit dem 19. Jahrhundert.
  • Jesus hat gelehrt, dass es nicht um Buchstabentreue, sondern um die Liebe geht. Auch daran sollte man als Yoga Aspirant denken – denn auch unter Yoga Aspiranten gibt es manchmal große Streitigkeiten um die korrekte „Technik“ der Übungen. Da ist es immer wieder hilfreich, an die beiden wichtigsten Grundsätze zu denken, die Jesus immer wieder betont hat: (1) Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. (2) Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst (Nach Mat. 22, 34-40).
  • Gerade die vom Christentum Enttäuschten, die vielleicht sogar eine Anti-Haltung zum Christentum entwickelt haben, können durch die Beschäftigung mit yogischen Interpretationen der Lehren Jesu eine leidvolle Erfahrung auflösen, einen Schritt weiter zum inneren Frieden kommen.

Thich Nhat Hanh - Fünf Wege zum Glück:

"Kurz vor Weihnachten denke ich intensiv an den buddhistischen Mönch Thich Nhat Hanh. Seine Ausstrahlung, seine Worte und seine Ethik haben mich beeindruckt. An seinem Beispiel wird mir auch klar, wie nah sich Christentum und Buddhismus sind. Meines Erachtens sind seine "Fünf Wege zum Glück" eine radikale und konsequente Fortführung der Lehre Jesu. Oder ist die Lehre Jesu eine Version von Buddhas Lehre? Eigentlich egal. Denn es geht um die Inhalte: achtsam leben, Respekt vor jedem Lebewesen, Liebe." Andreas Eckert

Sonstiges

Pfarrer Dr. Ulrich Seidel über Ernährung während christlicher Feste: Link

 

Begriffsklärung: Religion, Spiritualität, Mystik, Esoterik: Link